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Ob Insolvenz von Großunternehmen oder die Pleite der Firma nebenan: Handlungsmöglichkeiten, die Wahrnehmung eigener Interessen und besonders das Thema Anfechtung beschäftigte die Teilnehmer der zweiten Insolvenzgläubigertage in diesem Jahr in Frankfurt, Düsseldorf und München.

2015: Gläubigerforderungen in Höhe von rund 17.5 Mrd.€

Im vergangenen Jahr (2015) resultierten aus 16.979 Unternehmensinsolvenzen Gläubigerforderungen in Höhe von rund 17.5 Mrd. €. Diese Forderungen werden mit Abschluss des Verfahren durchschnittlich mit einer Quote von 3.9% (also 390€ bei einer Forderung von 10.000€) bedient, so Moderator Lutz Paschen von der Kanzlei Paschen Rechtsanwälte. Er zeigte, dass die sog. „Vermutungsrechtsprechung“ des BGH zu einem Vertrauensverlust im Bereich B2B geführt hat, da die wirtschaftlich bedeutenden Lieferantenkredite auf ein Rekordtief von nur 27% gesunken sind.

„ Was Sie im Vertragsrecht falsch gemacht haben, fällt Ihnen im Insolvenzrecht auf die Füße“

Dr. Ulrich Orth, Rechtsanwalt und Leiter Supplier Risk Management der Daimler AG, hatte kein Patentrezept zum Management von Insolvenzrisiken vorzuweisen, zeigte aber, dass Firmen diese Risiken aktiv durch eigenes Handeln minimieren können. „Definieren Sie Ihre Ziele“, so Orth und wies auf die simple aber effektive ABE-Methode (Ausarbeiten-Bewerten-Entscheiden) hin. Er warb dafür, dass Firmen sich in „insolvenzfreien Zeiten“ Regularien und Unternehmensrichtlinien schaffen sollten, mit denen sie eine Kunden- oder Zuliefererinsolvenz sicher bewältigen können. Sein Credo „Was Sie im Vertragsrecht falsch gemacht haben, fällt Ihnen im Insolvenzrecht auf die Füße“ hallte den ganzen Tag nach.

Lieferantenpool im Insolvenzverfahren

„Es macht Sinn, seine Rechte als Gläubiger zu verfolgen“. RA Thierry Schwenk von der Kanzlei DS Graner Rechtsanwälte Avocats stellte den Lieferantenpool zur Durchsetzung von Eigentumsvorbehaltsrechten im Insolvenzverfahren vor. Er konnte berichten, dass die sogenannten Poolverwalter durchschnittliche Quoten von über 50% erzielen – auch Dank der „doppelten Quote“, da der Lieferant zunächst seine Quote aus dem Eigentumsvorbehalt erhält und danach die restliche Forderung zur Insolvenztabelle anmelden kann.

Verkauf von Insolvenzquoten

Einsicht in den Zweitmarkt für Insolvenzforderungen gab Peter Riedel von der Forderungsbörse Debitos. Er berichtete, dass und wie Tabellenforderungen über Debitos verkauft werden können. Auch der Verkauf von Insolvenzquoten ist in jeder Phase des Verfahrens möglich, so Riedel, ebenso der Verkauf von Forderungen gegenüber englischen Unternehmen, für die ein Investor bis zu 30% bietet.

Automatisierte Überwachung von Kunden und Insolvenzverfahren

Wie man mit dem Insolvenz-Portal Kunden und Lieferanten automatisiert überwachen kann, zeigte Jens Décieux, Geschäftsführer der STP-Portal GmbH. Mit automatischen Benachrichtigungen über neue Ereignisse, sei es Beschlüsse, Nachrichten oder Veränderungen reduziert sich der Bearbeitungsaufwand sei es bei der Identifizierung von Verfahren aber auch in der Bearbeitung der Verfahren selbst deutlich und hilft Risiken, beispielsweise durch Weiterbelieferung trotz Insolvenz des Vertragspartners, rechtzeitig zu erkennen.

Anfechtungsrisiken versichern

Jonas Müller, Head of Department Product Development, Euler Hermes Deutschland stellte die Möglichkeiten zur Versicherung gegen Anfechtung durch den Insolvenzverwalter vor. Gefahr droht Unternehmen, da die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter oft auf Forderungen der letzten vier Jahre vor Insolvenzantrag abzielt – Beträge die ein gesundes Unternehmen durchaus gefährden können.

Insolvenzanfechtung: Sich wehren lohnt sich

10.000 € statt 28.000€, 450.000 € statt der ursprünglich vom Insolvenzverwalter geforderten 1.2 Mio. €- Rechtsanwalt Michael Schmidt von der Kanzlei PASCHEN Rechtsanwälte zeigte an vielen Praxisbeispielen, dass es sich lohnt,  gegen Anfechtungen zu wehren. Auch praktische Tipps für die Gläubiger hatte Schmidt für die Teilnehmer. So sollten sie sofort bei Bekanntwerden einer Kunden-/Lieferanten-Insolvenz Entlastungsbeweise sichern, ihre Korrespondenz prüfen und die Insolvenz „ zur Chefsache“ erklären.

Italienisches Insolvenzrecht

Dass in Italien Insolvenzverfahren in der Regel komplett elektronisch bearbeitet werden, wusste Dr. Stefanie Mehrens, Rechtsanwältin und Avvocato zu berichten. Die Stellung des Gläubigers im italienischen Insolvenzrecht stand im Mittelpunkt ihres Vortrags. Sie gab einen Überblick über die wichtigsten Verfahrensarten im italienischen Insolvenzrecht, die Rangordnung unter den Gläubigern, zur Insolvenzanfechtung und zum neuen konkursabwendenden Vergleichsverfahren im italienischen Insolvenzrecht.

 

Fazit: Ein auf die Nöte der Gläubiger zugeschnittenes Forum, das zwar keine Patentrezepte bieten kann, aber aufzeigt, dass für Gläubiger vielfältige Handlungsmöglichkeiten bestehen, die zwar Arbeit bedeuten, sich aber letztendlich auszahlen.